Ein Mann der leisen Töne war er ja nicht gerade. So bezeichnete er sich mit seiner dunklen, vom Leben gezeichneten Stimme auch selbst als größten Uhrmacher der letzten 100 Jahre. Für seine Nachwelt wird George Daniels, der große Uhren-Universalgelehrte, der eigentlich Autodidakt war, vor allem mit seiner Erfindung der Co-Axial-Hemmung in Erinnerung bleiben.
Ein Junge und das Zentrum seines Universums
Am 19. August 1926 in ärmlichen Verhältnissen geboren, war der kleine George eines von 11 Kindern, die im vorstädtischen Nord-Westen Londons das Licht der Welt erblickten. Bereits mit fünf Jahren entdeckte er in einer billigen Taschenuhr das „Zentrum seines persönlichen Universums“, wie er es einst selbst bezeichnete. Fasziniert von der Mechanik im Uhrinneren entwickelte er eine wahre Leidenschaft für das Kleinstteilchenensemble von Unruh, Hemmung und Räderwerk und brachte sich deren Zusammenwirken selbst bei, um sich bei der Reparatur von Zeitmessern ein erstes Taschengeld zu verdienen. Seine erste eigene Uhr baute er ohne die hierfür notwendige Ausrüstung in einer 2 Jahre andauernden „learning by doing“ Einheit, bei der so manche Nacht des Schlafs beraubt wurde.
George Daniels und die Erfindung der Co-Axial-Hemmung
Jahrzehntelang beschäftigte er sich fortan mit der Aneignung von Wissen für die Fertigung möglichst präziser Uhren. So war es dem von unbändigem Willen geprägten George Daniels ein Dorn im Auge, dass ihm Elektriker mit Beginn der Quarzkrise weismachen wollten, das Zeitalter der mechanischen Uhr sei abgelaufen. Er gelangte schließlich zur Einsicht, dass die Stärke einer mechanischen Uhr gegenüber der Quarzuhr in einer langfristig fortbleibend hohen Ganggenauigkeit, bei gleichzeitiger Wartungsarmut und ohne Hinzugabe weiterer Werkstoffe liegen könnte. Jedoch gab es ein Problem: Die Hemmung musste regelmäßig geschmiert werden, um eine zunehmende reibungsinduzierte Gangabweichung zu verhindern. Mit der Erfindung der Co-Axial-Hemmung gab es nun fast keine Reibung mehr zwischen dem Ankerrad und dem Ankerstück. Ein leichter, impulsgebender Schlag reichte aus, um das Ankerrad beim nächsten Zahn einrasten zu lassen, und machte das regelmäßige Ölen der reibungsstärksten Uhrenkomponente fast gänzlich hinfällig. (In einem anderen Post haben wir uns bereits mit 6 Mythen und Irrglauben zur Co-Axial-Hemmung beschäftigt).
Bereits im Jahr 1975 entwickelte Daniels den ersten Prototypen einer Armbanduhr, doch dauerte es noch weitere 20 Jahre bis er die Schweizer Uhrenindustrie davon überzeugen konnte, die Uhr in Masse herzustellen. Schließlich nahm sich Omegader Innovation an und produzierte seit 1999 Uhren mit diesem System. Die Co-Axial-Hemmung hat jedoch auch Nachteile: So bedingen die lediglich acht Zähne des Ankerrades einen weiteren „toten“ Weg für jedes Einrasten und machen überdies ein weiteres Zahnrad notwendig. Doch was bleibt ist eine deutlich geringere Reibung bei gleichzeitig konstant hoher Ganggenauigkeit, womit die Vorteile von Ankerhemmung und Chronometerhemmung vereint werden können.
Universalgelehrter der Horlogerie
George Daniels beherrschte 32 von 34 horologischen Disziplinen und ist einer der wenigen Uhrmacher, die in der Lage waren, eine Uhr vom Anfang bis zum Ende ohne Hilfe anderer herzustellen. Er vereinte somit das Savoir Faire in einer Person, welches viele Uhrenhersteller nicht in ihren eigenen vier Wänden unterzubringen vermögen. Im November 2012 kamen bei einer Sotheby’s Auktion im Gedenken an George Daniels zahlreiche Daniels „Ein-Mann-Kaliber“ unter den Hammer. Darunter fand sich auch die Space Travellers’ Watch mit 4-Minuten Tourbillon, Co-Axial Hemmung und Chronographen-Funktion, welche schließlich für 1.329.000 Pfund versteigert wurde und damit den ursprünglich veranschlagten Verkehrswert von ca. 150.000 – 250.000 Pfund vervielfachte.
Die Fortführung eines Erbes
Für viele ist die Co-Axial-Hemmung die erste fundamentale Innovation der Hemmung seit über 200 Jahren. Ob sich die Co-Axial-Hemmung langfristig durchsetzen wird, ist jedoch ungewiss. Die komplizierte Konstruktion ist auch mit Nachteilen verbunden und erwies sich in der Praxis als weniger wartungsarm als ursprünglich angenommen. In jedem Fall hat George Daniels mit der Co-Axial-Hemmung die Uhrmacherei mit einer interessanten Innovation bereichert und sorgt somit für ein Gegengewicht in einer von klassischen Schweizer Ankerhemmungen dominierten Uhrenwelt. Viele jüngere Uhrenmarken wie F.P. Journe oder Greubel Forsey sehen sich zudem als Hersteller in der Tradition von George Daniels und begeistern heute mit ebendieser mechanischen Ästhetik, die einst auch den fünfjährigen George in seinen Bann gezogen hatte.
In der Animation laufen die koaxialen Räder verkehrt herum. Da treibt nicht das Räderwerk die Unruh an, sondern die Unruh das Räderwerk.
Viele Grüße
Dieter
Dezember 17, 2023
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In der Animation laufen die koaxialen Räder verkehrt herum. Da treibt nicht das Räderwerk die Unruh an, sondern die Unruh das Räderwerk.
Viele Grüße
Dieter