Es gibt sie einfach: Kaliber mit Ikonen-Status. 2121, 321, 5100, 3135.
Was für den Durchschnittsbürger lediglich eine willkürliche Zahlen-Aneinanderreihung zu sein scheint, beschreibt für andere wiederum bedeutsame horologische Meilensteine. Darin reiht sich auch „7750“ ein.
Hinter der vierstelligen Ziffer versteckt sich das Chronographen-Kaliber mit Kulissensteuerung aus dem Hause Valjoux (benannt nach dessen Herkunft, dem Vallée de Joux). Mit einer Gangreserve von 42 Stunden und einer Frequenz von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde haut das Werk zwar auf den ersten Blick niemanden vom Hocker – auch optisch ist es keine große Augenweide – aber dennoch gehört es zu den kultigsten Kalibern, die man für Geld erwerben kann. Der Grund für den anhaltenden Erfolg muss also ein anderer sein. Es geht auf Spurensuche.
Der schnelle Aufstieg und noch schnellere Fall
Alles begann mit Edmond Capt, einen wahren Uhren-Veteranen. Capt war nicht nur federführend bei der Entwicklung des 7750-Kalibers, sondern konzipierte zu Lebzeiten auch über 30 weitere Uhrenwerke. Ein Uhrmacher, der sein Handwerk verstand. Viel wichtiger aber: Ein Uhrmacher, der mit ganzem Herzen daran glaubte, was er tat.
Es startete so vielversprechend: Das Valjoux 7750 erblickte im Jahre 1973 das Licht der Welt und verkaufte sich auf Anhieb ordentlich. Insbesondere Großkunden wie Orfina, bis 1978 Partner Porsches in der Uhrenherstellung, führten dazu, dass in den ersten zwei Jahren nach Produktionsbeginn knapp 100.000 Einheiten pro Jahr verkauft wurden. Man war optimistisch, so konnte es weitergehen.
IWC Fliegeruhr IW377714 samt 79320-Kaliber.
Tat es aber nicht. Nach kaum mehr als zwei Jahren stand die Produktion
plötzlich vor dem Aus. Nach dem so hoffnungsvollen Raketenstart machte eine
globale Eruption Capt einen jähen Strich
durch die Rechnung. In Folge dessen trug man ihm zu, die Konstruktionspläne sowie verbleibenden
Teile und Maschinen des 7750-Kalibers zu vernichten. Was war passiert?
Im Zuge der eintretenden Quarzkrise verlangte die Welt plötzlich nach batteriebetriebenen Uhren aus Fernost. Futuristisch. Präzise. Günstig. Die Quarzkrise brachte wie eine Epidemie die weltweite mechanische Uhrenindustrie zum Stillstand. Ihre Uhren waren plötzlich teuer, altmodisch und klobig und somit obsolet.
Auch Tutimas 320-Kaliber in der Grand Flieger-Kollektion basiert auf dem 7750.
Wie ein Phönix aus der Asche
Für (zu) viele schien die Schlacht bereits zu früh entschieden:
Quarzuhren werden für immer über mechanische Uhren triumphieren. Im gleichen
Atemzug aber das eigene Kaliber
aufgeben und es für immer in der Bedeutungslosigkeit untergehen lassen? Für
Capt ein Ding der Unmöglichkeit. Sorgsam wurden also entgegen der offiziellen
Anweisung die Relikte aufbewahrt und für die Nachwelt wegesperrt.
Bekanntermaßen setzte Mitte der 80er-Jahre ein erneutes Umdenken ein und mechanische Uhren begannen wieder langsam, im öffentlichen Interesse und Rampenlicht zu stehen. Doch guter Rat war teuer, wurde doch der Großteil der Pläne und Maschinen einige Jahre vorher gefrustet dem Erdboden gleichgemacht. Bei der 1983 gegründeten Swatch Group, maßgeblich an der Renaissance der mechanischen Uhr beteiligt, erinnerte man sich jedoch an frühere Zeiten und auch an die verheißungsvollen Anfänge des 7750-Kalibers.
So kam es, dass ETA bereits zwei
Jahre später, 1985, die Produktion des mechanischen Chronographen-Moduls wieder
aufnahm – nur ermöglicht durch Capts Starrköpfig- und Weitsichtigkeit. Zwischen
dem Untergang und der Wiederauferstehung des Kalibers 7750 liegen somit gerade
einmal 10 Jahre.
Viele Namen – ein und das gleiche Werk
Viele bekannte Uhrenmarken schwören
der Ikone seitdem die Treue. Ein Blick auf die Eigenschaften verrät, warum das
Kaliber nach Überleben der Quarzkrise so beliebt war.
Die Kulissensteuerung ermöglichte – im Gegensatz zu Säulenrad-Chronographen – eine schnellere und günstigere Produktion in großen Stückzahlen. Aber auch vergleichen mit anderen Kulissen-Kalibern wie dem Lemania 5100, mit dem es sich lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen leistete, war das Valjoux 7750 produktionsbedingt günstiger und somit perfekt geeignet, um die nach wie vor preisempfindlichen Kunden nicht direkt wieder zu verschrecken.
Bei der Junghans Meister Chronoscope hört das 7750 auf den Namen J880.1.
Darüber hinaus bietet das Rohwerk zudem den idealen Ausgangspunkt für weitere Modifikationen. Egal ob Finissage, Auswechslung einzelner Komponenten oder das Hinzufügen ganzer Module, das Valjoux-Evergreen stellte sich als reinste Spielwiese für Uhrenmarken heraus.
Auch die Tatsache, dass das
Kaliber ursprünglich nicht als Säulenradchronograph konzipiert war, hielt
manche Uhrwerkmanufakturen nicht davon es, dies zu ändern. Da wären unter
anderem Alfred Rochat & Fils für Chronoswiss sowie La Joux-Perret (für eine
Handvoll Marken), die die Kulissensteuerung durch ein Schaltrad ersetzen. Egal
ob Longines, Omega, TAG Heuer, Bremont, Panerai, Montblanc oder Sinn, zahlreiche
Uhrenmarken schwören auf die Flexibilität und Zuverlässigkeit des Uhrwerkes.
Da die Swatch-Gruppe jedoch das Angebot der eigenen Tochterfirma ETA für die Konkurrenten künstlich verknappt, war es nur eine Frage der Zeit, bis andere Alternativen auf den Markt kommen. Mit dem SW500 hat z.B. Sellita seinen ganz eigenen Nachbau des begehrten Werkes, der großen Anhang findet (s. nachfolgendes Bild). Zudem stammen viele Werke aus Fernost, die konstruktionstechnisch das Valjoux-Original zum Vorbild haben.
IWC Portofino IW391027 mit dem SW500-basierten 75320-Kaliber.
Sofern nichts modifiziert wurde, erkennt man die Verwendung des 7750-Kalibers in einer Uhr auf den ersten Blick. Der Wochentag sowie das Datum befinden sich auf 3 Uhr, während die drei Totalisatoren bei 12, 6 und 9 Uhr Platz finden. Neben den Tricompax-Varianten sind zudem Bicompax-Varianten mit zwei anstelle der üblichen drei Hilfszifferblätter sehr geläufig, wie auch eine Mondphasen-Komplikation.
Schlusswort
Obwohl sich das Valjoux 7750 mit
großen Schritten seinem 50. Geburtstag nähert, gehört es nach wie vor nicht zum
alten Eisen. Ganz im Gegenteil: Uhrenmanufakturen jeglicher Couleur vertrauen
seit Generationen auf das Arbeitstier. Egal ob 1.000€ Einstiegsuhr oder 10.000€
Luxuschronograph, das ETA Valjoux 7750 erfreut sich einer ungebrochenen
Beliebtheit.
Auch wenn es für einige lediglich
ein massengefertigtes, zweckmäßiges Produkt ist (und auch für immer sein wird),
muss man anerkennen, dass es heutzutage das erfolgreichste mechanische
Chronographen-Kaliber der Welt ist. Zudem verhalf es dem mechanischen
Chronographen in den Anfangstagen nach der Quarzkrise zu einer Renaissance. Ein
riesiges Vermächtnis.
Sehr schöne Zusammenfassung. Habe auch ein modifiziertes 7750 in einer Uhr, das zwar sehr laut “läuft”, aber dafür auch ungemein präzise ist. Ich finde dennoch, dass Uhren mit 7750 (oder darauf basierenden Werken) nicht über 5000€ kosten sollten, da kann man da schon etwas selbst entwickeltes erwarten.
Wie kann ein 1973 erstmals gebautes Werk bitte noch von (Luxus-)Uhrenmarken als 1. Wahl betitelt werden?
Das scheint mir schlichtweg Kosteneinsparung oder Faulheit zu sein.
Habe auch zwei Uhren mit einem 7750 drin, beide seit fast 10 Jahren, und hatte nie Probleme.
Gut einreguliert sind Chronometer-Abweichungen überhaupt keine Herausforderung.
August 21, 2020
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Sehr schöne Zusammenfassung. Habe auch ein modifiziertes 7750 in einer Uhr, das zwar sehr laut “läuft”, aber dafür auch ungemein präzise ist. Ich finde dennoch, dass Uhren mit 7750 (oder darauf basierenden Werken) nicht über 5000€ kosten sollten, da kann man da schon etwas selbst entwickeltes erwarten.
Wie kann ein 1973 erstmals gebautes Werk bitte noch von (Luxus-)Uhrenmarken als 1. Wahl betitelt werden?
Das scheint mir schlichtweg Kosteneinsparung oder Faulheit zu sein.
Habe auch zwei Uhren mit einem 7750 drin, beide seit fast 10 Jahren, und hatte nie Probleme.
Gut einreguliert sind Chronometer-Abweichungen überhaupt keine Herausforderung.